Übergabe „Bericht zur Lage des Eigentums“

Begrüßungsrede von Michael Prinz zu Salm-Salm anlässlich der Übergabe des 1. Berichts zur Lage des Eigentums am 25. April 2002 in Berlin

In der universellen Erklärung der Menschenrechte, die 1789 in Paris verabschiedet wurde, heißt es „das Eigentum ist ein unverletzliches und geheiligtes Recht“. Art. 17 der Europäi­schen Grundrechtecharta des Jahres 2000 beginnt „Jede Person hat das Recht, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben.“ Erb­recht gehört also zu diesem geheiligten Menschenrecht. Will man vererben, braucht man Er­ben. Der Vorsitzende unseres Kuratoriums, Professor Remo Laschet, widmet sich gerade die­ser Aufgabe. Bis vor einer Stunde stand er im Kreissaal in Köln bei der Geburt seines vierten Kindes seiner Frau bei. Der Sohn ist gesund geboren. Prof Laschet lässt sich entschuldigen und Sie alle herzlich grüßen. Als stellvertretender Vorsitzender des Kuratoriums bin ich ein­gesprungen. Sie können aber mein Durcheinander und meine Aufregung verstehen. Ich habe nur eine Entschuldigung: wenn man Salm-Salm heißt, darf man im Folgenden ruhig mal ins Stottern kommen.

„Es gibt bei uns kein Eigentum mehr.“ So äußerte sich in diesen Tagen der Teilnehmer an einer Diskussion über das Eigentumsrecht. Diese Feststellung ist zweifellos falsch. Insbeson­dere in einem internationalen Vergleich des deutschen Rechtssystems mit anderen hält die These kaum stand. Wichtig ist aber, es gibt zu wenig Eigentum in Deutschland. Ich möchte Ihnen einige Zahlen nennen, erschreckende Zahlen. Die Wohnungseigentumsbildung in Deutschland geht zurück. 1983 besaßen noch gut 42 % der 30-40jährigen-Haushalte Wohnei­gentum. 1998 waren es nur noch knapp 36 %. Die Jüngeren haben weniger Wohneigentum als noch vor 15 Jahren. Im internationalen Vergleich stehen wir am Schlusslicht in Westeuropa. In Großbritannien und den USA wohnen jeweils rund zwei Drittel aller Haushalte in den ei­genen 4 Wänden, während im früheren Bundesgebiet mit 46 % nicht einmal jeder 2. ein eige­nes Heim besitzt. Für Gesamtdeutschland sind es nur 42 %. Auch in Südeuropa, in Italien z.B., liegt die aggregierte Wohneigentumsquote schon seit Jahrzehnten über den deutschen Verhältnissen und stieg von 46 % im Jahre 1981 auf über 62 % Anfang der 90 ‚iger Jahre.

Auch beim geistigen Eigentum haben wir keine erfreuliche Entwicklung. So steigt zwar die Zahl der Patentanmeldungen beim Patentamt in München deutlich, aber es sank die Zahl der Anteile inländischer Patente von knapp 80 % auf weniger als 60 %. Das die Zahl der Insol­venzen steigt, liest man in diesen Tagen allenthalben. Auch das hat mit Eigentum zu tun, wenn auch mit dessen Untergang. Noch bedenklicher, auch die Sparquote geht zurück und zwar in den Jahren seit 1999 bis heute um 10 %.Soweit zu den Zahlen.

Die falsche These „Es gibt bei uns kein Eigentum mehr.“ scheint aber andererseits Ausdruck eines Unbehagens. Dieses macht sich offenbar bei denen breit, die mit dem Einsatz ihres Ei­gentums Verantwortung übernehmen und sich dabei zuweilen durch die vom Gesetzgeber oder durch die Wirklichkeit konkretisierte Sozialisierung ihres Eigentumsrechts eingeschnürt fühlen. Das gilt für ganz unterschiedliche Bereiche. Der Kreative wird einen Angriff auf sein geistiges Eigentum beispielsweise in seinen beschränkten Möglichkeiten sehen, Urheber­rechtsverletzungen durch technisch mögliche Vervielfältigung mit Erfolg Einhalt zu gebieten. Der Unternehmer sieht sich vom Staat immer umfangreicher in die Pflicht genommen, ei­gentlich staatliche Aufgaben auf seine Kosten zu organisieren. Der Grundeigentümer fühlt sich oft zu stark durch Mietrecht, Denkmal- und Naturschutz in Anspruch genommen. Si­cherlich sind dies alles subjektive Eindrücke, die aber gleichwohl nicht einfach mit dem Hin­weis auf massive Eigeninteressen abzutun sind. Das Eigentum ist Basis der Freiheit, es ist Basis der hiesigen sozialen Marktwirtschaft und wird zurecht als Triebfeder der wirtschaftli­chen Entwicklung angesehen. Eigentumssicherheit ist Voraussetzung für Wohlstand und Wohlergehen aller. Bei all denen, die ihr Eigentumsrecht verantwortlich ausüben, steht in der Regel völlig außer Zweifel, dass das Eigentum sozialpflichtig ist. Grundgesetz Art. 14, Abs. 2: Eigentum verpflichtet. Jede einzelne Beeinträchtigung des Eigentums in den genann­ten Bereichen mag für sich betrachtet bei einem objektiven Blick nicht nennenswert sein. Die Kumulation von Beeinträchtigungen jedoch kann in der Tat das Eigentumsrecht einschnüren und berechtigt das Gefühl aufkommen lassen, von der Verfügbarkeit über das Eigentum, die ein wesentlicher Bestandteil ist, sei nicht viel übrig geblieben.

Vor diesem Hintergrund hat sich der gemeinnützige Verein „Kuratorium Eigentum in Deutschland“ gebildet, der sich anschickt, in eine „Deutsche Stiftung Eigentum“ umgewandelt zu werden und der heute den ersten „Bericht zur Lage des Eigentums“, den dieser Verein in Auftrag gegeben hat, dem Deutschen Bundestag überreicht. Ich freue mich deshalb besonders, die Vertreter des Deutschen Bundestages, an ihrer Spitze die Vizepräsidentin des Bundesta­ges, Frau Dr. Antje Vollmer und den Vizepräsidenten des Bundestages, Herrn Dr. Hermann Solms, sehr herzlich hier unter uns begrüßen zu können.

Ich begrüße alle Abgeordneten aller Fraktionen, die heute zu uns gekommen sind sehr, sehr herzlich, die Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse, ich sehe z.B. den Vorsitzenden des Agrarausschusses Herrn Carstensen, viele andere Damen und Herren ganz herzlich hier heute unter uns. Ich begrüße die Vertreter der Bundesministerien, die Vertreter der Landesvertre­tungen und ich begrüße auch die Vertreter der Verbände. Dieses hier ist keine Verbandsver­anstaltung, auch wenn wir in einem Verbandshaus tagen, ist dies eine Veranstaltung, ein Un­ternehmen, ein Verein freier selbstständig denkender Menschen, Persönlichkeiten, die sich für den Eigentumsschutz einsetzen. Deshalb seien trotzdem, auch wenn es keine Verbandsveran­staltung ist, sondern eine Veranstaltung, die ohne Lobbyismus, ohne Tagespolitik überpartei­lich tätig ist, die Verbände, die dieses durch ihre Anwesenheit heute unterstützen, herzlich begrüßt. Die europäischen Grundbesitzerverbände, mit denen eine gute Vorarbeit geleistet wurde. Ich begrüße sehr herzlich den Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer mit ihrem Präsidenten Dr. Jahn. Ich begrüße sehr herzlich die Deutschen Landfrauen, den Bundesverband der Deut­schen Industrie, die Arbeitgeberverbände, den Bundesverband Deutscher Wohnungsunternehmen und ich sage den Hausherren hier, der Deutschen Industrie- und Handelskammer, ganz herzlich Dank. Ich begrüße die Vertreter der Kirchen und ich heiße ganz besonders den Festredner des heutigen Tages, Herrn Prof Dr. Paul Kirchhof, herzlich in unserer Mitte will­kommen.

Ich freue mich auch, dass die Verfasser des 1. Berichts zur Lage des Eigentums in Deutsch­land, den wir heute übergeben, an ihrer Spitze Prof. Dr. Otto Depenheuer und die Professoren Dr. Thomas von Danwitz und Prof. Dr. Christoph Engel heute ihre Anwesenheit möglich ma­chen konnten. Herzlich willkommen.

Der Bericht zur Lage des Eigentums zeichnet ein ordentliches, aber nicht ein glücklich ma­chendes Bild. Denn ungeklärt bleibt, wie ich schon erwähnte, die Frage, wie der Eigentums­schutz zu gewährleisten ist, wenn nicht schon eine konkrete Maßnahme das Eigentum beein­trächtigt, sondern wenn erst die Anhäufung von vielen einzelnen, kumulativen Maßnahmen dazu führt, dass es zu einem möglicherweise rechtsstaatswidrigen Gesamteingriff in das Ei­gentumsgrundrecht kommt. Auf europäischer Ebene gibt es für die zuständigen Institutionen eine Reihe von Hausaufgaben zu erledigen. Im Wirtschaftsvölkerrecht hingegen gibt es be­achtliche Fortschritte angesichts der widerstreitenden, weltweit unterschiedlichen Interessen.

Auf all diese Punkte in der Zukunft hinzuweisen und die Finger in die noch offenen Wunden, Blessuren oder auf die Prellungen zu legen, hat sich das Kuratorium Eigentum in Deutschland zur Aufgabe gemacht. Dieses Kuratorium will die Patenschaft für das Eigentum übernehmen. Es wird in seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten auch solche wissenschaftlichen Projekte begleiten und betreuen, die zur Klärung offener Eigentumsfragen beitragen helfen. Das wird unaufgeregt, wissenschaftlich belegt und fernab von aller Partei- und Tagespolitik zu gesche­hen haben. Der Verein und später die Deutsche Stiftung Eigentum werden den nunmehr vor­gelegten 1. Bericht zur Lage des Eigentums fortschreiben und den Schutz des Eigentums mo­derat, aber mit fester Stimme vorantragen. Ein starkes Eigentum sichert wirtschaftliche Betä­tigung und eine prosperierende Wirtschaft sichert die Freiheit. Insofern ist Eigentumsschutz Freiheitsschutz.

Ich danke Ihnen.